Christiane Löhr

Kleiner Samenbeutel (little seed bag) 2010 Flugsamen, Haarnetz / airborne seeds, hair net, 15 x 10 x 9 cm Kleiner Samenbeutel (little seed bag) 2010 Flugsamen, Haarnetz / airborne seeds, hair net, 15 x 10 x 9 cm

Münchenstein | ArtRegion: Basel - Oberrhein

Kunsthaus Baselland

Christiane Löhr

27. Mai – 17. Juli 2016

Skulptur ist ein Begriff, der bei Christiane Löhr im Gespräch immer wieder fällt. Sei es, dass die Künstlerin, die u.a. 2001 von Harald Szeemann auf der Biennale in Venedig vorgestellt wurde, von ihren Zeichnungen spricht, die auf grossen Blättern zart von der Wand hängen oder in Stapeln auf dem Tisch in ihrem Kölner Atelier liegen, oder von den klein- oder grossformatigen Arbeiten im Raum, die aus Kletten, Pflanzenstengeln oder Pferdehaaren entstehen. Die Formate können dabei grundlegend variieren. Die letzte grosse Raumsäule aus Pferdehaar, die sie 2015 im Vangi Sculpture Garden Museum in Shizuoka in Japan realisierte, besass eine Länge von 6 Metern.

Aber sie fokussiert auf mehr als nur auf Formfindung in einem bestimmten Mass. «Für mich», so beschreibt es die Künstlerin, die auch in Italien arbeitet und nun in ihrem lichtdurchfluteten Kölner Atelier steht, «geht es um Raumaneignung, in allen meinen Arbeiten.» So gilt ihrem Interesse bei der Zeichnung, wie die Linie beschaffen ist, was die Linie macht und kann und wie sie den Raum um sich einnehmen, aber ebenso verändern kann. Und auch bei den Arbeiten im Raum ist es das Einnehmen und zugleich Umwandeln durch Raumsetzungen.

Die vielen Skulpturen in ihrem Atelier erinnern nicht selten an Architekturen wie Kuppeln oder utopische Gebäude. Doch das Architektonische ist nicht das, was die Künstlerin interessiert und zugleich motiviert. Vielmehr beschäftigt sie das Streben einer Bewegung, von einer Mittelachse ausgehend. Prinzipien von Wachstum und Konstruktion könne man darin lesen und weniger eine konkrete Vorlage aus der Natur. Begriffe und Wörter wie jene, «das Wachstumsprinzipien sichtbar machen“ oder auch «ein Bewusstsein für Strukturen schärfen», lassen schnell an Künstlerinnen und Künstler wie Mario Merz denken, die man gerne der sogenannten Arte Povera zu-ordnet und rasch mit Etiketten wie «Arbeiten mit ärmlichen oder einfachen Materialien» versieht, Naturmaterialien eingeschlossen. Wenngleich dieser Gedanke nicht recht einzulösen ist, da Vergleiche bekanntlich mehr aus- denn einschliessen, lässt sich eine wichtige feine, verbindende Sequenz aufzeichnen: Christiane Löhrs Werke zeigen Sachverhalte und Zusammenhänge unserer unmittelbaren Gegenwart auf – und dies auf eine unaufdringliche und zugleich eindringliche Art und Weise. Sie las-sen sensibel werden für Prinzipien, Systeme und Feinheiten unserer Umgebung. Nicht allein für die gewählten Materialien selbst, sondern auch und besonders für die atmosphärische Veränderung des jeweiligen Raumes, die sie auslösen können. Raum und Zeit sind denn auch Begriffe, die während des Gesprächs immer wieder anklingen. Etwa wenn die Künstlerin von langsamen oder schnellen Linien und der Bewegung auf dem Papier oder innerhalb eines Raumes spricht. Es interessiere sie, welches Motiv die Linie bewegt, was hinter der Bewegung stecke, welche Geschwindigkeit die Linie habe, ob sie noch sehr viel weiter reichen können usw. Zentral sei für sie die Qualität der Linie, die mal mit Ölkreide auf das Blatt gebracht, mal mit Materialien wie Pferdehaar oder Naturmaterialien durch den Raum geführt wird.

Wie skulptural gerade auch die gezeichnete Linie dabei sein kann, eröffnet die Nahsicht einzelner Blätter. Nach dem schnellen Ziehen einzelner Linien, die auf dem Blatt mal zarter, mal kräftiger ausfallen können, reibt Christiane Löhr die schwarzen Pigmente nach und nach tiefer in das Blatt und verdichtet das gerade rasch Entstandene zu einer neuen Form der Materialität. Auch das verbleibende Weiss des Blattes verändert sich, je nachdem wie die Linie und ihr Umraum, das Sfumato, wie es Löhr nennt, auslaufen. Fast reliefartig bauen sich die Linien auf dem zarten Untergrund auf, etwa wenn die Künstlerin mit dem Bleistift die Hauptlinien formuliert und in einem weiteren Schritt immer wieder – ebenfalls mit dem Bleistift – in diese einmal gesetzte Linie fährt und das Blatt an dieser Stelle fast zu verletzen scheint. Durch diese Geste bildet sich ein feiner Grat aus und unterstreicht abermals das Skulpturale und die Materialität ihrer Zeichnung.


Öffnungszeiten

Di, Mi, Fr: 11-18
Do: 11-20
Sa, So: 11-17

Kunsthaus Baselland
Helsinki-Strasse 5
4142 Münchenstein