DEPONIE
Berlin | ArtRegion: Friedrichshain
TOBIAS KRUSE: DEPONIE
16. Dezember 2022 – 28. Januar 2023
Tobias Kruse begab sich auf eine 8.000 Kilometer lange Reise durch Ostdeutschland, um die Spuren und Narben zu erkunden, die die turbulenten Jahre nach der Wiedervereinigung hinterlassen haben. Er dokumentierte sowohl historische als auch zeitgenössische Phänomene, von verlassenen Dörfern bis hin zu belebten Fußballstadien und nächtlichen Demonstrationen. Dreißig Jahre nach dem Fall der Mauer suchte er nach Orten, die Teil des kollektiven Gedächtnisses geworden waren, und hielt eine Ära der Chancen und Enttäuschungen, der Wut und Verbitterung fest. Sein Werk Deponie ist ein Versuch, das fortbestehende Erbe dieser Zeit zu erforschen.
Ausgangspunkt der Reise des Fotografen war die Deponie Ihlenberg bei Schwerin, wo er aufgewachsen ist und die frühen neunziger Jahre als Jugendlicher erlebt hat. Auf der VEB Deponie Schönberg wurde in den achtziger Jahren Sondermüll aus Westeuropa abgelagert, ein Standort, den das Politbüro in einer nach DDR-Recht illegalen Entscheidung ohne ernsthafte Umweltauflagen und -kontrollen ausgewählt hatte. Das Ergebnis war eine verheerende Situation für Mensch und Umwelt, und Schönberg wurde schnell zur größten Giftmülldeponie in Europa.
Nach dem Fall der Mauer war das übliche Verfahren nach dem westdeutschen Drehbuch der Wiedervereinigung die Übernahme des volkseigenen Betriebes durch die Treuhand, gefolgt von einer kosmetischen Sanierung und schließlich einem teuren Verkauf. Leider führte dies dazu, dass die Menschen vor Ort in ihrem neuen Leben zu Statisten degradiert wurden und die Deponie begrünt wurde, doch die 17 Millionen Tonnen Giftmüll liegen noch immer unter der blühenden Landschaft. Auch der konkrete Ort ist im Laufe der Zeit aus der Werksdeponie verschwunden, doch geblieben ist neben dem Namen auch die unheilvolle Grundstimmung.
Aus dieser Zeit nach den beiden deutschen Diktaturen im Osten stammen viele Themen, mit denen die Ostdeutschen heute konfrontiert sind, wie die Narbe des kahlgeschorenen Schädels, das Misstrauen gegenüber staatlichen Organen und Entscheidungen und die diffuse Wut, die in den Schläfen pocht. Tobias Kruse hat diese Gefühle der Unsicherheit und des Kontrollverlustes in seinen Schwarz-Weiß-Fotografien eingefangen, die eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart schlagen und verdeutlichen, wie tief die Wunden sind und wie weit die Heilung entfernt scheint. Letztlich hinterlassen seine Bilder selbst ein düsteres, ergreifendes Unbehagen, das noch lange nach dem Betrachten nachwirkt.
Öffnungszeiten
Di-Fr: 11-13 & 14-19
Sa: 12-18
und nach Vereinbarung
artco Berlin
Frobenstraße 1
10783 Berlin