Landschaft II

Berlin | ArtRegion: Berlin, Kreuzberg

Galerie Tammen

Landschaft II

Malerei. Skulptur. Papierschnitte. Holzschnitte.

23. Juli – 28. August 2021

Mit Petrarcas Bericht wird Landschaft in mehrfachem Sinn reflexiv: „Alles, was der Mensch in seiner Umgebung wahrnimmt und was er in einen Zusammenhang stellt, ist Landschaft. Ihre Elemente sind Berge und Meere, Seen und Flüsse, Tiere und Pflanzen, Gebäude und Ackerland, Städte und Dörfer, Wege und Straßen. Zu dieser Landschaft gehört Sichtbares wie Unsichtbares, das man im Geiste hinzufügt, also einzelne Mineralkristalle oder Wassertropfen. Landschaft besteht nicht nur auf der Erde, sondern auch auf dem Mond, als Mondlandschaft, es gibt sie nicht nur auf dem Land, sondern auch in der Stadt – als Stadtlandschaft. Landschaften kann es sogar in geschlossenen Räumen geben: Man spricht von einer Wohnlandschaft, zu der Möbel, Teppiche, Gardinen und Kübelpflanzen gehören.“ Landschaft ist dann im Sinne Humboldts der „Totaleindruck einer Gegend.“ In der Betrachtung wird das Belebte und Unbelebte in einen komplexen Zusammenhang gestellt. Eine Vielzahl von äußeren und inneren Wahrnehmungen, aus Sinnes- und Gefühlseindrücken verschränkt sich zu einem Gesamtbild, das zum Spiegel und Movens von Empfindungen, Intentionen, Stimmungen werden kann. Die Landschaft ist ein konstruierter Schauplatz, bildet sich im Kopf, wo die Sehdaten komponiert zusammenfließen.

Anna Arnskötter hält in ihren Keramik-Wolken wie in einem Still das Ephemere fest, ohne es erstarren zu lassen: Wolken sind geradezu eine Metapher für die Flüchtigkeit, die unsere Wahrnehmung prägt und in ihrem Bild koinzidiert Gegensätzliches, Materielles und Immaterielles, Struktur und Transitorium. Die Wolke ist ein „fliegendes Bilderrätsel,“ dessen „Lösung immerfort wechselt“ und das doch jeder für sich und auf seine Weise entziffern kann – und genau diese fluide Rätselhaftigkeit schwingt auch in Anna Arnskötters Gebilden mit, wenn sich ein Haus auf einer aufgeplusterten Kumuluswolke niederlässt.

Marion Eichmanns Papierschnitte eröffnen immer ein im Wortsinne vielschichtiges Seherlebnis. In einer eigenwilligen Volte nähert sie sich in den neuen Arbeiten dem Thema Landschaft nicht direkt, sondern über einen Umweg, der allerdings die Bildhaftigkeit, die artifizielle Konstruktion von Landschaft souverän reflektiert. Welterkundung und Zeichenhaftigkeit werden hier ineinander montiert. Es sind die meist kaum beachteten Schilder, Signets für Landschaftliches, Topographisches oder Werbung , die die Natürlichkeit der beworbenen Produkte herausstellen sollen, die Marion Eichmann herausgreift und mit ihrem komplexen künstlerischen Verfahren, das Zeichnung, Schnitt, Collage und die Räumlichkeit des Reliefs zusammenbringt, umsetzt: Natur ist in solchen Zeichen nur als Vermitteltes anwesend, wird in die Anführungszeichen des bloßen Zitats gesetzt. Und wie die ‚natürliche‘ Landschaft erreichen die Schnitte in der räumlichen Schichtung bewegliche Tiefe, die Fläche öffnet sich zu ganz eigenen künstlichen Landschaften, zum Raum, in dem sich in einem raffinierten Doppelspiel räumliche Details verweben sich mit der Fläche verweben.

In den Skulpturen von Sonja Edle von Hoeßle verbinden sich Material und Transparenz, Idee und Körper, Konstruktion und Emotion, die Wirklichkeit der Skulptur mit der Transzendenz, der Projektion der Zeichnung. Und wie die Landschaft öffnen die Raumzeichen ganz selbstverständlich einen Zwischenraum zwischen Betrachter und Betrachtetem, zwischen Denken und Anschauung. Die Gebilde entwickeln sich aus der Linie, lassen ganz nonchalant im Umriss Topographisches, beispielsweiser eine Küstenlinie anklingen. Das gleichgültige Auseinander wird in der Kunst, in der Landschaftsbetrachtung gefasst, ohne eine hermetische Grenze zu setzen. Die Skulpturen balancieren Bewegung und Ruhe, Rhythmus und Form, Statik und Dynamik, Konstruktion und Sensibilität. Nichtvorhandenes erscheint vorhanden, Fernes erscheint erreichbar.


Öffnungszeiten

Di-Sa 12-18

Galerie Tammen
Hedemannstr. 14
10969 Berlin