Of Domes And Toilets – Architecture And Social Architecture Are One

Berlin | ArtRegion: Berlin, Kreuzberg

Galerie Nordenhake

Marjetica Potrč: Of Domes And Toilets – Architecture And Social Architecture Are One

7. September – 16. November 2019

In ihrer sechsten Einzelausstellung in der Galerie Nordenhake zeigt die Künstlerin und Architektin Marjetica Potrč zwei architektonische Fallstudien und dazugehörige Zeichnungen. Der Titel der Ausstellung fungiert wie eine These, die Potrčs
Konzept der kollaborativen sozialen Architektur umreist: Die Kuppel als Inbegriff architektonischer Leistung und machtvolles architektonisches Symbol, wird auf eine Ebene mit der Toilette gestellt, eine in der Architekturgeschichte kaum beachtete, aber kulturell und infrastrukturell nicht weniger wichtige Bauform, die uns sicherlich in der Zukunft vor extreme Herausforderungen stellen wird.

Potrč ist international für ihre architektonischen Fallstudien und ortsbezogenen Gemeinschaftsprojekte bekannt, die in einer multidisziplinären Praxis wurzeln, welche Kunst, Architektur, Ökologie und Sozialwissenschaften miteinander
verknüpft. Im Zentrum ihrer künstlerischen Praxis steht die Frage nach unseren aktuellen Lebensbedingungen und dem Scheitern modernistischer Architekturen. Sie zeigt in ihrer Arbeit alternative Baustrategien und Ressourcen auf und
berücksichtigt dabei sowohl fortschrittliche Technologien als auch traditionelle Ansätze. Dabei legt sie Gewicht auf individuelle Selbstermächtigung sowie nachhaltige und demokratische Zukunftsstrategien.

Die Skulptur «Drop City Giant» (2012-2019) entstand im Rahmen von Potrč’s Recherchen zu der legendären Drop City Kommune in Colorado, die Mitte der 1960er Jahre von Kunststudenten gegründet wurde. Inspiriert von Buckminster Fullers Geodätischer Kuppel baute die Kommune mit erschwinglichen Mitteln wie recycelten Industriematerialien Konstruktionen und entwickelte passive Solargeräte. Drop City galt damals als utopische Gegenkultur und ist, auch nach ihrer allmählichen Auflösung Anfang der 1970er Jahre, ein wichtiges Beispiel für alternative architektonische Konzepte sowie für eine Wahlgemeinschaft mit neuen sozialen Strukturen. Potrčs Skulptur ist als zeitgenössische Version einer archaischen Skulptur, als Kouros, konzipiert, und symbolisiert das gemeine Volk. Die Kuppel ist aus recycelten Straßenschildern und einfachen Baumaterialien wie Holz und Aluminiumstangen gebaut und — aufgrund ihres genialen Konstruktionsprinzips — trotz ihres geringen Gewichts extrem stabil. Die dazugehörige achtteilige Zeichnungsserie beschreibt ein aktuelles Beispiel für ein gemeinschaftsorientiertes Projekt und macht so deutlich wie heute Ideen von 1968
auf kleinem, lokalen Maßstab wieder aufgegriffen werden. «Caracas: Dry Toilet» (2003-2019) ist in Zusammenarbeit mit den Bewohnern des Viertels La Vega und der Architektin Liyat Esakov entstanden. Gemeinsam entwickelten Sie für die informelle Siedlung in Caracas‘, die nicht an das städtische Wassersystem angeschlossen ist, eine ökologische wasserlose Toilette, die die Fäkalien sammelt und zu Kompost
umwandelt. Die Wassertoilette gilt weiterhin als der ersehnte Standard, wenngleich man argumentieren könnte, dass sie aufgrund ihrer negativen ökologischen und gesundheitlichen Auswirkungen, eine zivilisatorische Fehlentwicklung ist. Bei
der jetzt ausgestellten Installation handelt es sich um die neunte Version der ursprünglichen Architektur: eine hybride Struktur aus einfachen und lokal verfügbaren Materialien, die in Kollaboration mit den Mitarbeitern der Galerie realisiert wurde. Der Transfer in den Galerieraum überführt die Gebrauchsarchitektur in den Kontext theoretischer Reflexion. Im globalen Kontext von Deregulierung und ökologischen Krisen wird sie zu einem relatonialen Objekt, zu einem potentiellen Werkzeug kulturellen Wandels, der den Sozialvertrag neu bedenkt. Wie Potrč es formuliert: «Ich bin nicht an architektonischen Konstruktionen interessiert. Ich interessiere mich für Soziale Architektur […, Infrastrukturen, die von der Gesellschaft gebildet wurden]. Menschen wollen nicht einfach nur die Stadt bewohnen, in der sie leben; sie wollen sie gestalten. Wir müssen unsere Lebensweise ändern, was viel schwieriger ist, als ein Haus zu bauen.»


Öffnungszeiten

Di-Sa 11-18

Galerie Nordenhake
Lindenstrasse 34
10969 Berlin